ModellFlieger

Oldenburg Fliegerhorst

In Zusammenarbeit mit:
MoRe Architekten, Hamburg
Sudio Witt BDA, Hamburg

Visualisierung: Jonas Bloch, München

Gutachterverfahren 1. Preis

Oktober – November 2022

Die Zersiedelung am Stadtrand durch wachsende Einfamilienhausgebiete widerspricht unserem Streben, beim Bau von neuem Wohnraum fossile Ressourcen zu reduzieren und lebendige städtische Quartiere zu entwickeln.

Die Mehrfachbeauftragung für ein Familien- und klimafreundliches Modellquartier auf dem Fliegerhorst in Oldenburg begreifen wir daher als Chance, ein attraktives, gemischtes, urbanes Quartier zu schaffen, wo bezahlbare, nachhaltige Wohnungen mit großzügigen Grundrissen, hohen Decken, Freisitzen und Gemeinschaftsgärten eine wirkliche Alternative zum Einfamilienhaus am Stadtrand bilden. Der Gemeinschaftsgedanke der Baugruppe senkt zudem die Baukosten, stärkt die Attraktivität des Quartiers und fördert den nachbarlichen Zusammenhalt.

Im B-Plan N-777-F wird auf der ehemaligen militärischen Nutzung in weiten Teilen ein Neubaugebiet entwickelt, das vereinzelt die rot verklinkerten Bestandsgebäude umschließen wird. Diese städtebauliche Situation bringt die Herausforderung mit sich, dass die 45 Reihenhausgrundstücke dennoch wie ein gewachsenes Quartier wahrgenommen werden sollten, und nicht wie eine auf dem Reißbrett geplante Projektentwicklung mit Neubaublöcken.

Um Heterogenität zu erreichen, schlagen wir daher eine Stadthaus-Bebauung mit zwei grundlegend unterschiedlichen Bautypen vor:

zum Einen ein schmales, nur 5,30m breites dreigeschossiges Stadthaus mit einem von der Straße zurückversetzten Staffelgeschoss. Die Gesamtgröße dieser Typologie ‚A‘ eignet sich zum ‚Durchwohnen‘ als familientaugliches Stadthaus, ggf. auch mit ‚Home office‘.

Der zweite Typus ‚B‘ bzw. ‚C‘ ist mit 6,50m etwas breiter und bietet in den unteren Geschossen zudem einen straßenseitigen Erker. Die Größe dieser Kubatur erlaubt eine Unterteilung in zwei übereinander gestapelte Maisonetten. Das Staffelgeschoss mit Dachterrasse ist beim Typ ‚B‘ vom Garten her zurückversetzt. Als weitere Unterteilung kann hieraus der Typus ‚C‘ mit Gemeinschaftsapartment im EG, Studio mit Balkon im 1OG und Maisonette in den oberen beiden Geschossen  geschaffen werden. Im Typ ‚C‘ wird für alle Nutzer der Kellerniedergang erreichbar sein.

Angeordnet werden diese Typologien alternierend, also mit wechselnder Staffelung, so dass die Dachlandschaft eine Kammstruktur bildet. Die Dachterrassen in den Staffelgeschossen haben daher abwechselnd eine westliche (Typ ‚A‘)  bzw. eine östliche (Typ ‚B‘ oder Typ ‚C‘) Ausrichtung und schützen so die Privatsphäre der direkten Nachbarn.

Gestaltet wird jeweils ein Stadthaus Typ ‚A‘ und ein Stadthaus Typ ‚B‘ oder ‚C‘ von je einem Architekturbüro mit einer wiedererkennbaren Materialität. Jeweils nur zwei Stadthäuser haben so dieselbe Klinker- und Fugenfarbe, identische Türen und Fensterprofile sowie andere architektonische Details. Durch eine gemischte Anordnung der verschiedenen Stadthäuser ergibt sich trotz der geordneten Geometrie ein heterogenes und individuelles Gestaltungsbild. Durch einheitliche Traufkanten, Sturzhöhen,  gleiche Treppen, Bodenbeläge, Innentüren, festgelegte Steigeschächte und die technische Konstruktion als ein Mehrfamilienhaus werden durch hohe Synergieeffekte die Baukosten deutlich reduziert werden können.

Die Nutzung der notwendigen Treppen als ‚interne Wohnungstreppen‘ nach dem ‚Haus-im-Haus-Prinzip‘ hilft dabei, Flächen zu optimieren sowie RWA Entrauchungsklappen einzusparen, und auf zusätzliche Wände und Treppenläufe zu verzichten.

Das gemeinschaftliche Flachdach ist begrünt und mit Photovoltaik aktiviert. Die Terrassen der oberen Geschosse werden teilweise mit Pflanzkübeln und Rankbepflanzung an den Fassaden begrünt und bieten so Lebensraum für Insekten und Kleinstlebewesen. Die Stirnseiten der Häuserzeile werden mit bodenständigen Kletterpflanzen begrünt. Fahrräder, Elektro-Lastenfahrräder und Gartengeräte werden in einem freistehenden Nebengebäude als holzverkleideter Stahlstruktur mit Gründach untergebracht. Alle Dämmstoffe werden als Produkte mit Blauem Engel/Nature-Plus Zertifikat ausgeschrieben. Die Gemeinsame Haustechnik kommt in einer Teilunterkellerung unter dem Gemeinschaftsapartment unter, ebenso wie zusätzliche Abstellräume für die Nutzer. Auf eine kostenintensive Vollunterkellerung kann verzichtet werden.

Die Gesamtenergiebilanz wird als ‚Plusenergiestandard‘ ausgelegt. Hierzu wird neben einer Gebäudedämmung im Passivhausstandard vorgeschlagen, über eine Luft-Wasser Wärmepumpe eine Fußbodenflächenheizung zu speisen, die im Sommer zur Kühlung umgestellt werden kann. Ergänzt werden kann dieses System durch eine Erdwärmepumpe auf Basis von Flächenkollektoren, die in den Freiflächen vergraben werden. Tiefe Erdsonden wurden aufgrund der Bodenverhältnisse im Vorfeld ausgeschlossen. Der Energieverbrauch der Wärmepumpen wird über die PV-Anlage auf dem Dach abgedeckt. Im Keller wird ein großes Batteriespeichersystem überschüssigen Strom zwischenspeichern, so dass dieser auch zur Verfügung steht wenn die Sonne nicht genügend Energie liefert. Jede einzelne Wohneinheit wird mit einer dezentralen Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung über die Fassade bzw. über Dach ausgestattet, so dass auf teure und in der Regel wartungsintensive Brandschutzklappen zwischen Wohneinheiten verzichtet werden kann.

Die warmen Abwässer werden über einen Wärmetauscher abgeführt, so dass die Abwärme in den Warmwasserspeicher zurückgeführt wird.

Im Fahrradschuppen können gemeinschaftliche Elektro-Lastenfahrräder aus der überschüssigen PV-Energie kostengünstig aufgeladen werden.

Die Energieeffizienz der stromverbrauchenden Elektro-Endgeräte wie Kühlschränke, LED-Beleuchtung und Waschmaschinen wird dermaßen optimiert, dass der selbst erzeugte Solarstrom mit dem Pufferspeicher einen Großteil des anfallenden Strombedarfs abdecken kann.

Die Straßenfassade wird mit einem außenliegenden, beweglichen Sonnenschutz als ZIP-Screen vor sommerlicher Überhitzung geschützt.